Zu Tisch bei sardischen Hirten
Wer Sardinien wirklich kennenlernen will, muss vor allem Menschen wie die sardischen Hirten besuchen. Sie bewahren ihre Identität, indem sie alte Traditionen pflegen.
Zu Gast in des Schäfers Welt
Romantisch mag sie sich andeuten. Von Natur umgeben ist sie in jedem Fall, die Welt der sardischen Hirten.
In Wirklichkeit sehr arbeitsreich und von Entbehrungen geprägt.
Der passionierte Schäfer sieht seine Welt allerdings mit anderen Augen.
Die moderne sardischen Hirten – Gastronome und Winzer
Sardinien und seine Kultur waren jahrtausendelang vom Viehnomadentum geprägt. Und heute? Im Sulcis-Iglesiente, nahe der Südküste Sardiniens, lebt ein junger Hirte mit seiner Familie, der die traditionsreichen Wurzeln für sich wiederentdeckt hat. Er ist Gastgeber, Käseproduzent und Winzer zugleich.
Daniele hält Schafe, baut Gemüse an und macht Wein und Käse. Er ist einer von vielen Tausend sardischen Teilzeithirten, die zu einer traditionellen Lebensweise zurückgekehrt sind.
Leben mit und nach den Traditionen
Allmorgendlich bei Sonnenaufgang treibt Daniele seine kleine Herde auf umliegende Weiden. Zweimal täglich wird gemolken. Ohne sonntägliche Ausnahme.
Aus dem größten Teil der frischen Schafmilch erzeugt er Pecorino, den würzigen Käse. Einige Liter verkauft er an umliegende Anwohner.
Zum abendlichen Melkprozedere finden sich die Gäste auf Danieles Weide ein und staunen über die flinken Handgriffe, mit denen Daniele den Schafen die Milch abnimmt. Es darf probiert werden! Etwas Köstlicheres als frisch gemolkenen Schafmilch gibt es nicht.
Seine Frau Marianna bereitet Ricotta und macht daraus eine schmackhafte Füllung für traditionelle culurgiones, die sardischen Ravioli.
Heute sind beide vollumfänglich beschäftigt mit den Vorbereitungen zum mehrgängigen Hirtenessen, zu dem wir mit unserer Gruppe hinzu kommen.
Hirtenmessen
Im Garten ist die große Tafel gedeckt, an der in Kürze zwanzig Gäste speisen werden.
Aus der Küche dringt der Duft von gebratenem Schaffleisch und würziger Sauce. Die Bruschette rösten über dem offenen Feuer. Der tiefrote Cannonau steht in Karaffen bereit.
Das Hirtenessen ist eröffnet: bei saisonalen Antipasti, gegrilltem Gemüse und
Pane Carasau – das traditionelle Hirtenbrot – greifen alle begierig zu.
Zum primo tischt uns die Hausfrau culurgiones in Tomatensauce auf. Das secondo folgt mit unterschiedlichsten Spezialitäten vom Schaf. Darunter gegrillte costolette, geschmortes Schaffleisch in Weißweinsauce und vieles mehr.
Den Abschluss bilden natürlich die verschiedenste Sorten Pecorino zu denen wir den hausgemachten Mirtolikör genießen. Und die traditionellen, frittierten Ricottaküchlein mit Honig und Minze gefüllt, die Sebadas .
Wohlfühlen bei sardischer Gastlichkeit
Bei Sonnenuntergang stimmt der Schäfer traditionelle Hirtenlieder an und schon bald summen die Gäste mit. Die fröhliche Ausgelassenheit zeigt: hier fühlt sich ein jeder wohl.
Danieles strahlende Augen verraten Glück und Zufriedenheit. Darüber, daß er heute vielen Menschen, denen seine Kultur bislang fremd war, ein wunderschönes Ereignis bereitet hat.
An so manchen Tagen beneiden wir ihn aufrichtig, wenn der von Druck geprägte Alltag in Deutschland wieder einmal zuviel wird.
Sardische Gastlichkeit wird jedem zu Teil, der es liebt, mit Aufgeschlossenheit in die Welt der Sarden einzutauchen.
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