Ursprüngliches Sardinien
Das echte Sardinien kennen lernen – ein Ausflug in die Bergwelt
Um das wahre Sardinien kennen zu lernen muss man das Landesinnere besuchen. Es ist dort verborgen, wo die Menschen an ihrer Lebensart festhalten.
Die GALLURA
Hinter der Vergnügungsmeile der Reichen und Jetsetter an der Küste zu Korsika, der Costa Smeralda, liegt das Hinterland der Gallura – Teil des ursprünglichen, eigentlichen Sardinien. Monströse Korkeichen ragen dazulande majestätisch in den Himmel. Auf dem leicht saueren Boden gedeihen sie in voller Pracht.
Feen sollen dort in den Hainen leben. Sardische wohlgemerkt – nicht kleine, weibliche Fabelwesen, die man in unseren Breiten damit assoziiert. Vielmehr urig-groteske Wesen mit Aberglauben behaftet, mit maskenhaften Gesichtern, schwarzen und hellhäutigen, deren Abbilder von Kunsthandwerkern aus der Region in liebevoll überlieferter Handarbeit noch hergestellt werden. Sie finden bei traditionellen, religiösen Festen und Umzügen, wie im sardischen Karneval, ihren Einsatz.
Kostbare Bäume
Seit 2000 Jahren hegen und pflegen die Menschen auf Sardinien ihre Bäume. Im Hochsommer werden sie geschält. Ihre Rinde dient als Werkstoff für unzählige, kunstvolle Zierden, Souvenirs und Gebrauchsgegenstände, wie Schalen und andere Servierplatten, auf denen immer noch wie nach alten Bräuchen porcheddu aufgetragen wird – das Spanferkel. Über offenem Feuer gegrillt, wird es in Sardinien auf überdimensionalen Korkeichenrinden, in Mirtozweige eingebettet, serviert. Diese geben ihm den unverwechselbaren, würzigen Geschmack dieser Pflanze mit, aus der auch der dunkle, sardische Mirtolikör hergestellt wird.
Nahezu jede Familie auf Sardinien – ganz gleich ob in bergigen Gegenden oder in den Ebenen oder an der Küste beheimatet – kennt verborgene Orte, an dem die wild wachsenden Bäume die besten Früchte hervorbringen.
Die BARONIA
Die Baronie, noch tiefer südöstlich gelegen, ist eine Karstlandschaft. Ziegen und Schafe finden gerade noch genug notwendiges Futter, um ihre Hirten zu ernähren. Kleine Oasen der Fruchtbarkeit bieten den traditionellen Schafzüchtern zuzüglich agrarwirtschaftliche Überlebensmöglichkeiten mit Obstbäumen und prachtvoll gedeihenden Gemüsegärten. Diese Existenz gegen eine Tätigkeit in industriellen Großstädten einzutauschen und ihre Besitztümer durch Landflucht aufzugeben, liegt den Menschen dort nicht. Sie waren seit jeher Selbstversorger und sind zu recht stolz auf ihre selbstgeschaffene Unabhängigkeit.
Grotten und Schluchten
Eine Kalksteinbastion aus der Zeit des Jura, der Monte Albo bot mit seinen unterirdischen Grotten und Flussläufen den Ureinwohnern auf Sardinien verborgenen Unterschlupf in Zeiten der Besatzungen. So war eine Vertreibung der Landbevölkerung hier nicht möglich und als der „Spuk“ vorbei war, konnten die sardischen Hirten und Bauern ganz einfach wieder zur Tagesordnung übergehen und ihre Tätigkeiten ausüben.
Die BARBAGIA
Im Spramonte liegt die Barbagia. Ein verlorenes Paradies: eine der verlassendsten Gegenden der Welt, und doch unersetzliche Heimat für Menschen, die ihren Traditionen noch heute folgen. Das Leben der Hirten dort hat sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr verändert. Jedoch lange nicht so schnell, wie in den meisten anderen Gegenden oder Ländern der Welt.
Aus der Zeit gefallen
Man hat das Gefühl, als sei hier die Uhr für einen langen Zeitraum angehalten worden. Traditionen und Lebensart sind gleich geblieben.
Die ein oder anderen Geschäfte und Agritourismi sind hinzugekommen, doch die Ureinwohner in den hoch gelegenen Dörfern in den Monti di Gennargentu (den Gennergentu-Bergen) wie im „Kastanienstädtchen“ Aritzo oder in Fonni, dem höchstgelegenen der Insel, auf über 1.800 m über dem Meeresspiegel gelegen, sind heute noch am liebsten unter sich. Etwas menschenscheu und froh, wenn sich der Tourismus zum Herbst hin wieder beruhigt.
Traditionen leben und feiern
Sie feiern jedoch sehr gerne und stolz ihre Feste, wie zum Beispiel das Kastanienfest, auch mit Nichteinheimischen. Mit buntem Treiben auf dem Marktplatz und landestypischen Gerichten, wie Kastaniensuppe, über dem Feuer gerösteten Kastanien oder der hiesigen Spezialität Sorbetto all´ limone, einem Sorbet aus sonnengereiften Zitronen, mit Quellwasser aus den Bergen des Supramonte – nach alten Bräuchen noch in Handarbeit hergestellt.
Sardischer Käse
Große Tradition hat in der Barbagia auch die Käseherstellung. Die besten Qualitäten, so sagt der Sarde, kommen von dort.
Pecorino sardo oder Pecorino romano, sardischer Ricotta oder der Fiore Sardo wird in Handarbeit hoch oben in den Bergen von den Hirten gefertigt. Acht bis zehn Monate im Jahr – ohne einen einzigen Tag auszulassen – stellen diese ihre Käsesorten aus der nahrhaften Schafmilch her. Die Grundlage dieses unverwechselbaren Geschmackserlebnisses ist die Nahrung der Barbagia-Schafe: die kräuterreiche Macchia, das immergrüne Juwel Sardiniens. Und natürlich eine lange Zeit der Reifung.
Ein Stück Sardinien im Winter
Es lohnt sich, diese verborgene Welt in Sardinien auf einer Reise zu entdecken.
Der Spätherbst und der frühe Winter belohnen Spurensucher der sardischen Kultur und Traditionen mit besonders guten Bedingungen und kulinarischen Höhepunkten.
Möchten Sie die sardische Küche selbst einmal ausprobieren, so finden Sie ausführliche und bebilderte Rezepte in unserem sardischen Kochbuch La mia terra – Köstliches Sardininen auf über 250 Seiten.