Isola di San Pietro – Carloforte
Ohne durch eine einzige Brücke mit Sardinien verbunden zu sein, hat sich die Isola di San Pietro aus dieser Isolation heraus ihren ganz eigenen Charme entwickelt, sowie die Siedler ihre eigenwillige Mentalität.
Eiland des heiligen Fischers – und eine ganz eigene Welt
Wenige Seemeilen vor der Südwestküste liegt die kleine Schwesterinsel Sardiniens inmitten des Sulcis-Archipels: Ob sie, wie die Legende erzählt, nach Petrus dem Apostel und Fischer benannt wurde? Während einer Reise von Afrika nach Rom soll dieser in einen Sturm geraten sein. So musste er auf dem Eiland einen Zwischenstopp einlegen. Oder wurde Petrus einfach als Schutzheiliger der Fischer dauerhaft vereinnahmt ? Genau lässt sich dies nicht mehr rekonstruieren.
Tarbakinische Lebensart
Sie sind etwas eigen, die Einwohner des Fischerdörfchens Carluforti (in sardisch genannt). Traditionen, Kultur und Küche haben deshalb nordafrikanische Wurzeln und werden bis heute gepflegt.
Der Grund liegt fast dreihundert Jahre zurück: 1738 ließ besagter „Carlo der Starke“ (Carlo Emanuele III.) ligurische Fischer aus seiner genuesischen Besitzung Tabarka, eine Insel vor dem heutigen Tunesien, auf die damals unbewohnte Insel umsiedeln. Damit begann hier die neue Geschichte eines bäuerlichen Einwanderervolkes und seinem aufstrebenden Dasein, das sich von nun an als Fischer verdingte.
Charakterzüge und ihre gastronomische Vielfalt sind also dem Erbe ligurischer Fischer und den Wurzeln tunesischer Einwanderer zu verdanken.
Sie bereicherten Sardiniens Küche mit Gewürzen und Gerichten vom schwarzen Kontinent. Kümmel und Koriander Minze und Paprikapaste verfeinerten hier erstmals Speisen, von denen heute noch einige in abgewandelter
Form existieren, wie beispielsweise Kichererbsengerichte oder das sardische Cascà, das vom afrikanischen Couscous herrührt.
Vom westlichsten Ausläufer des Festlandes in Portoscuso setzen wir über, vom Wunsch getrieben, hinter die Kulissen des festlich begleiteten Spektakel der Tonnara und etwas tiefer in die Herzen der Inselbewohner zu blicken.
Ein Hauch von dolce vita
Wenn man durch die engen Gassen mit ihren bunten, verzierten Häusern streift, liegt ein Hauch italienischer Riviera über den schmalen Pflastersteingässchen. Ihre sonnendurchglühten, bunt getünchten Häusern im Hauptort Carloforte erinnern sofort an die ligurische Küstenregion. Weil Architektur und Farbgebung vom italienischen Festland aus Ligurien stammen. Die niedrigen Häuser in fröhlichen Farbtönen und das bunte Treiben in den Gassen lassen Urlaubserinnerungen wach werden an mondäne Küstenparadiese, wo das Motto des „dolce vita“ herrscht und das Leben ganzjährig ein reines Vergnügen zu sein scheint.
„Dolce“ war das Leben in dem besetzten Land nach den Gründerzeiten sicher nicht gewesen, offensichtlich lebensbejahend jedoch die Einstellung seiner ersten Siedler.
Wie die Architektur, so stammen auch viele handwerkliche und gastronomische Traditionen der Insulaner aus diesem Teil des italienischen Festlandes.
Auf malerischen Straßenschildern sind die Namen der Orte außer in italienisch, auch noch in ligurischem Dialekt nachzulesen. Viele Carlofortiner beherrschen außerdem noch den tabarkinischen Sprachschatz.
Il Girotonno – Tradition ist nur noch ein nautischer Event
Ein beeindruckender Anblick, bei dem leider auch etwas Wehmut aufkommt, ist die alte Tonnara, die einstige Thunfischfabrik, deren Betrieb längst eingestellt ist. Gegenüber liegt in Privatbesitz befindlich das Inselchen La piana (die Flache). Mondäne Villen lassen von Weitem vermuten, wer sich dort zur Urlaubszeit aufhält. Im krassen Gegensatz dazu verfällt die alte Tonnara in einsamer Stille. Verwegen scheinenden Ruinen sind der Gleichgültigkeit und dem Vandalismus der Natur überlassen.
Lebenserhaltende Traditionen von einer nunmehr fernen Zeit haben heute nur noch Erinnerungswert und leben für wenige Tage einmal wieder auf, wenn jeweils im Juni mit dem Girotonno das große Thunfisch-Fest in Carloforte gefeiert wird. Die einzigartige Gelegenheit am richtige sardischen Lebensgefühl innerhalb der Feierlichkeiten Teil zu haben muss man aufgreifen.
Das berühmteste Fest der Fischerinsel zeigt die Nachstellung der einstigen traditionellen Thunfischfanges. Stolzerfüllt und von Publikum begleitet, machen sich die unerschrockenen Männer täglich auf den Weg hinaus in den Golf, um dort die riesigen Thunfische zusammen zu treiben, die anschließend in großen Töpfen landen und zu allerlei unwiderstehlichen Köstlichkeiten zu werden, die man in den Straßen Carlofortes – stehend, gehend oder auf der Kaimauer sitzend – genießen kann.
Die „Insel vor der Insel“ ist in jedem Falle einen Tagesausflug wert. Unsere Empfehlung an alle, die Südsardinien und den Sulcis-Iglesiente besuchen.