costa-del-sud-capo-spartivento

Wandern entlang der Costa del sud

Das ist Berührung mit Meer, Felsen und Macchia zugleich.
Granitblöcke wo hin man schaut, durchbrochen von Schneisen aus feinstem Sand, an denen sich die Wellen ungestört brechen. Die Begegnung mit der Costa del sud ist emotional.
Wild gebärdet sich das Wasser. Leuchtend bunt durchdrungen von Zistrosen und Wolfsmilchbüschen. Flankiert von weißen Türmen.

Sardiniens wilde Küste im Frühjahr

Die Verwitterungsprozesse der über Jahrhunderte wiederkehrenden Niederschläge und Wellenbrandung hölten das Gestein aus. Die Natur schaffte so pilzartige Gebilde, die sich Taffoni´-Felsen nennen. Die nicht selten mannshohen Felshöhlen waren einst für Hirten Unterstand bei Regenfällen.

Im Wind unterm Sarazenenturm des Capo Malfatano

Genau hier strandeten vor etwa 1000 Jahren vor Christus die Phönizier, ein Volk aus dem heutigen Syrien. Sie waren vermutlich auf dem Weg zu den Britischen Inseln. Als sich der Zwischenstop als lukrative Bleibe für etwa weitere 400 Jahre erweisen sollte. Die Naturhäfen Sardiniens waren zu verlockend um weiter zu ziehen. An der costa del sud wurden so die Städte  Nora , Bythia (das heutige Chia) und Sulki ( heute  Sant´Antioco ) erbaut. Im Westen gründeten sie die inzwischen ganz versunkene Hafenstadt Tharros.

Ein guter Einstieg in das Naturspektakel ist östlich dieses weit ins Meer ragenden Kaps, in der Bucht Cala Ferraglione. Wilde Macchia und Geröll inmitten ursprünglicher Küstenlandschaft laden zum Begehen ein.
Rechts in weiter Ferne thront der spanische Verteidigungsriese, davor liegt das karibische Ambiente, die smaragdfarbene Bucht von Tueredda. Wir machen uns auf zu noch mehr „Filmkulisse“, gen Osten.

Spartivento – Das Kap, das den Wind teilt

Der alte Leuchtturm steht stoisch auf der Anhöhe. Vom alten Spanier ist nicht mehr viel geblieben, doch etwas anderes lohnt den Aufstieg zu 176 m ü.d.Meer. Ein Hirtenpfad führt uns hinauf zum wundervollen Panoramablick über Teile der Costa del sud: bis nach Chia mit seinem breiten, weißen Sandstrand Spiaggia su giudeu. Hier müssen wir einfach verweilen und eine kleine Erfrischung zu uns nehmen, denn an dem Anblick, den das Meer bietet, können wir uns nicht satt sehen.

Luxus pur im Faro

Sein neuer „Stellvertreter“ wurde 1866 gebaut und inzwischen in eine wesentlich prachtvollere Herberge umfunktioniert. Er birgt inzwischen ein 5-Sterne-Edelhotel. Hoch über dem romantischen Kap kann man Hochzeit feiern und sich den Honeymoon in Luxus gönnen. Oder einfach die Seele unter den Winden baumeln lassen, die hier permanent wehen. Spartivento heißt „den Wind teilen“. Der Eindruck entsteht hier oben deutlich, je dichter man sich an der Klippe aufhält. Die scharfe Spitze der Felsen lässt ihn nach West und Ost abdriften.

Entspannen geht auch hervorragend  in der kleinen, einsamen Bucht hinter dem Kap, der Cala Cipolla (zu dt. Zwiebelbucht). Sie liegt jetzt zum Greifen nahe, vor einer felsigen Landerhöhung vor Chia, die wir anschließend erreichen. Von da aus ist es nicht mehr weit zu einem sandigen Paradies.

Durch Sandbuchten bis zum Torre di Chia

Über einen Holzsteg gelangt man in die wilde Dünenlandschaft hinab, direkt ans Meer. Die Möwen balgen sich in der Sonne und zwitschern sich Paarungslaute zu. Am Wasser entlang geht es nun ohne Schuhe weiter. Der Sand unter den Füßen spült die letzte Schwere aus dem Körper.
Eine kleine Klettereinlage über die Klippen, schon kommt der Torre di Chia in Sichtweite. Ein Sarazenenturm, der mit seinen beiden Genossen in Verbindung stand, zur Bewachung der Küste.
Man nennt diese Erhöhung auch die Akropolis von Bithia, welches sich inzwischen das Meer geholt hat. Das heutige Chia ist eine Dühnenlandschaft mit traumhaftem Sandstrand, zur Gemeinde Domus De Maria gehörend.

Nun ist erst einmal ein kleines Picknick dran. Die salzgetränkte Kleidung muss trocknen. Wir haben schießlich einige Kilometer nahe der Meeresbrandung zurück gelegt.  Wie einst die Hirten genißen wir jetzt auch unsere sulcitanische Speisen: Pane Carasau , Pecorino , Salsiccia und Civraxiu.

Auf Römerpfaden

führt uns die antike Trasse oberhalb einer seitlichen Steinmauer weiter (jetzt ist gutes Schuhwerk Pflicht). Sie ist ein Überrest der einst breiten Hauptstrasse die Chia mit Nora verband, das die Römer um etwa 200 v.Chr. von den phönizischen Gründern übernahmen und zur einflussreichsten Siedlung damaliger Zeit ausbauten. Nur die seitlichen Befestigungsmauern sind erhalten geblieben.
Wenn diese doch nur von damals erzählen könnten, über die Atmosphäre, als römische Karawanen und Truppen über sie hinweg marschierten…
Zeitweise verengt sie sich so stark, dass wir hinter einander gehen müssen. Seit über 1500 Jahren pflügt sich die antica strada romana hier über die bergige Küste, die zur Meerseite steil abfällt. Unterhalb der Straße ist die Erde instabil und Erdrutsch gefährdet. Vorsicht, also!
Wolfsmilchbüsche und tausend Jahre alte, knorrige Wacholderbäume begrünen die Hügel.

Schon nach wenigen Kurven befinden wir uns am besten Aussichtspunkt auf die antike Stadt Nora. Die älteste Stadt Sardiniens, die zwischenzeitlich im Meer versunken war, erzählt mit ihren Säulen, Mosaiken und dem Theatro romano von einstig üppigem Wohlstand und Kultur.
Es sollte Jahrtausende dauern, bis das Meer Nora wieder freigab. Erst seit 1952 finden Ausgrabungen statt.

Die Führung durch die steinernen Ruinenfelder ist ein abschließender Höhepunkt auf dieser Wanderung.
Oder auch optimales Ziel für einen eigenständigen, halbtägigen Ausflug in die sardisch-römische Geschichte. Und ein Rendez-vous mit wieder einem der ehrenvollen spanischen Türme an den Kaps der Costa del sud.

Na, haben Sie Lust bekommen auf die Südküstenwanderung im Frühling?